Die Zombies vom Mount Everest

Meine Frau Jenny und ich auf einer FridaysForFuture-Demo im März 2019

Der Mount Everest ist mit seinen 8848 Metern der höchste Berg der Erde und sein Gipfel wurde im Jahr 1953 zum ersten Mal erobert. Seitdem sind über 200 Bergsteiger dort oben gestorben. Einer der Bekanntesten ist „Green Boots“: Seit 23 Jahren klettern alle Bergsteiger an seiner Leiche mit den grünen Stiefeln vorbei. Wie CNN neulich berichtete, schmelzen die Gletscher auf dem höchsten Berg der Erde rapide und geben nach und nach die Bergsteiger-Leichen wieder frei. Die Klimawandel-Zombies erwachen nach Jahrzehnten des Schlafs im nicht-ewigen Eis. Und das ist leider kein Plot für einen Horrorfilm, sondern das hat etwas mit uns zu tun.

Ich gehöre neuerdings zu einer bundesweiten, ständig wachsenden Gruppe, die sich Parents for Future nennt. Wir Eltern unterstützen mit unserer Anwesenheit bei Demos die Schüler, die unter dem Motto Fridays for Future ein paar Schulstunden nicht besuchen, um stattdessen für eine bessere Klimapolitik auf die Strasse zu gehen. Sie tun das, weil ein Mädchen, das nicht lügen kann und nur dann spricht, wenn es unbedingt nötig ist, ihnen die Wahrheit erzählt: die 16-jährige Schwedin Greta Thunberg. Sie fragt in ihrer beeindruckenden TED-Rede sinngemäß, warum, wenn die Klimakrise uns alle so bedroht wie die Wissenschaftler es sagen, nicht alle Menschen ständig nur noch darüber sprechen.

Wenn ich in meinen sozialen Kreisen das Gespräch auf das Thema „Klimakrise“ lenke, stelle ich fest, dass sich die meisten Menschen nicht besonders dafür interessieren. Ich höre Sätze wie „Ich kann mir nicht vorstellen, dass das was bringt“ oder „Man muss aber auch die Kohlearbeiter mitnehmen“ oder „Da wird jetzt dieses Mädchen vor einen Karren gespannt“ oder „Die wahren Verursacher sind doch die Chinesen“ oder einfach nur „Diesen Freitag kann ich nicht, da kommt die Oma zu Besuch“.

Ich würde auch gerne glauben, dass dieses Thema nicht so dringend ist.

Aber: 23.000 Wissenschaftler haben neulich ein Positionspapier unterzeichnet. Sie sagen: Bis spätestens 2050 muss die Weltgemeinschaft ihre CO2-Emissionen auf Null reduziert haben, sonst gibt es richtig Ärger. Den nachfolgenden Generationen drohen Überschwemmungen, Dürren, Stürme, Nahrungsknappheit, Krankheiten, Artensterben, Flüchtlingsströme und anderer Horror, vielleicht sogar Krieg. Es gibt auf YouTube eine beeindruckende Pressekonferenz der #scientistsforfuture. Man sollte sie sehen. 

Wir müssen raus aus der Kohle, weniger fliegen, viel weniger Tierprodukte konsumieren. Wir müssen endlich weit nach vorne denken.

Dem Baby gefällt es nicht, dass die Erde von einem Geländewagen überfahren wird

Ich habe ständig den Impuls, mich bei meinen Kindern zu entschuldigen, so wie der Astronaut Alexander Gerst es in seiner beeindruckenden Ansprache aus dem All getan hat. Und schnell noch was bewirken, bevor ich gehe. Das treibt mich an. 

Nun kommen also die Untoten vom Mount Everest: Nachdem diese Menschen ihre Hybris, ihren Drang nach dem „mehr, höher, ganz nach oben!“ vorläufig mit dem Leben bezahlt hatten, beginnen sie demnächst mit ihrem Abstieg. Auch „Green Boots“ wird ins Tal hinabsteigen. Was werden sie zu uns sagen? Vielleicht gar nichts. Vielleicht wird ihnen das alles ganz egal sein.

Wem es nicht egal ist, der kann sich gerne bei mir melden. Ich freue mich über jeden Austausch. Oder man kann sich auf der Website von Parents for Future informieren, von dort in die Whattsapp-Gruppe kommen oder zu Slack, oder einfach den Hashtags #parentsforfuture und #fridaysforfuture und #scientistsforfuture folgen…

 

2 Gedanken zu „Die Zombies vom Mount Everest

  1. Hallo lieber Jakob, wie gut, dass Du Dich engagierst in der Fridays for Future-Bewegung! Ich habe mit Interesse Deinen Blog gelesen und möchte auch meine Gedanken als Musiker dazu geben. Als erstes kommt die Frage: wie kann ich persönlich einen positiven Beitrag dazu leisten? Ich kann bei niemand anderem anfangen als bei mir selbst: mein eigenes Benehmen ändern. Eine radikale Änderung in meiner Denkweise und meinem Benehmen. Dazu fällt mir ein:

    – so wenig reisen wie möglich. Vor allem keine Flüge buchen, und erst recht keine Kurzstreckenflüge. So wenig wie möglich Auto fahren. Den Zug nehmen. Den Urlaub in der Nähe machen (dazu gleich noch mehr). Die öffentlichen Verkehrsmittel in der Stadt nutzen. Mehr Rad fahren, mehr laufen.

    – Kein Fleisch mehr essen (das tue ich sowieso schon), und wenn möglich, ganz vegan leben. Die Fleischindustrie ist eine Katastrophe, für die Tiere, für die Umwelt und letztlich für uns Menschen.

    – Als Musiker muss ich mir in Zukunft ganz genau überlegen, wo ich eventuelle Auftritte annehme und ob das noch Sinn macht. Für wen spiele ich, wenn es weiter weg ist? Wie lange? Macht es Sinn, 45 Minuten zu spielen und dafür 500 km oder mehr zu reisen? Nein. Natürlich muss ich trotzdem überleben können und bin abhängig von Aufträgen. Wichtig ist es, dass die Auftraggeber die umweltschädlichen Nebeneffekte des Events überprüfen und nach Möglichkeiten suchen, diese so weit wie möglich zu reduzieren: lokale Musiker anheuern, und wenn das nicht geht, einen Zuschlag zu den Reisekosten geben, damit man umweltfreundlicher reisen kann (Zug, oder wenigstens einen Zuschlag zu den Flugtickets, um damit zum Ausgleich gute Projekte zu finanzieren, wie z.B. Aufforstung etc.). Wobei dann immer noch die größte Verschmutzung von den Zuhörern kommt, die zu den Konzerten anreisen… von de Fans (die habe ich ja so nicht)

    – Wir müssen alle unseren Aktivitätsradius wieder einschränken. Das nicht nur lokal, sondern auch in Bezug auf unser Konsumverhalten. Keinen Urlaub in der Ferne. Keinen Wochenendtrip nach London oder Paris. Keinen Kurzurlaub auf Thailand.

    – Ausschließlich lokales Essen konsumieren. Keine Bananen aus Puerto Rico, Erdbeeren aus Kenya, oder sonstiger unnötiger Importwahnsinn. Das sind ja alles irrsinnige und unnötige Transportkosten, die wiederum den CO2 Ausstoß explodieren lassen.

    – Sparsam leben. Wenn nicht unbedingt nötig: Lichter aus, Heizung aus, weniger Wasser konsumieren. Weniger essen (wir essen alle viel zu viel).

    – Bäume pflanzen. Gemüse züchten. Blumen säen. Bienen halten. Vögel füttern (Vorsicht, was man ihnen füttert), beobachten. Spazieren gehen. Tiere streicheln.

    – Die Benzinkosten müssten massiv steigen! Aber richtig massiv! Die Flugkosten müssen noch viel massiver steigen!!! Die Bahn muss subventioniert werden! Öffentliche Verkehrsmittel sollten sogar umsonst sein, zumindest in den Städten.

    – unser Konsumverhalten… bevor ich etwas kaufe, frage ich mich: brauche ich das wirklich? Wenn ja, gibt es das nicht auch gebraucht? Was kaufe ich, und von woher kommt es?

    – Wir alle brauchen die Erkenntnis, dass es kein ewiges Wachstum gibt. Wie soll das funktionieren, dass die Wirtschaft ständig wachsen soll?? Warum brauchen wir immer noch mehr? Verzicht ist die Zukunft, und Verzicht ist am Ende Gewinn. Unser neues Motto sollte heißen: wachsen durch Verzicht, und zwar spirituell wachsen. Der Reichtum ist in uns.

    – es gibt noch viele Punkte, aber einen Punkt möchte ich für mich noch erwähnen (obwohl damit viele sicher nicht einverstanden sind): keine Kinder in die Welt setzen. Es gibt zu viele Menschen, und das ist das eigentlich größte Problem. Wenn ich ein Kind großziehen möchte: adoptiere ich ein Kind. Es gibt so viele Kinder ohne Eltern auf dieser Welt, die dringend Hilfe brauchen. Viele von uns Menschen setzen Kinder aus purem Egoismus in die Welt, um “auch ein Kind zu haben”. Ich brauche und will mich nicht zu vervielfältigen.

    So, dass waren kurz meine Gedanken zu unserer Zukunft. Freue mich auf Freitag!

    LG, Matthias

    1. Lieber Matthias, vielen Dank für Deinen sehr interessanten Kommentar. Ich will Dir sagen: Du hast eine Massnahme vergessen, und zwar die Verbreitung deiner wichtigen Gedanken, die Du hier aufgeschrieben hast. Man muss es kommunizieren! Man muss seine Haltung versuchen zu leben und man muss äußern, dass man versucht, nach seinen Idealen zu leben. Ich merke das immer öfter, dass es sich lohnt, mit den Menschen zu reden. Nicht weil am Ende alle der gleichen Meinung sind, aber weil man Menschen bewegt – und Menschen kennenlernt. Wer nie erfahren hat, wie schädlich sein Mallorca-Kurz-Trip mit Fast-Food-Orgie ist, wird ihn auch nicht in Frage stellen. Und: Andere bewegen bewegt auch mich! 🙂 Mit und ohne Trommeln, mit und ohne Transparent. — Danke!

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