Ist Tierquälerei eine Straftat? Die Antwort ist leider kompliziert.

Foto: We Animals Media

Ist Tierquälerei eigentlich eine Straftat in Deutschland? Mal angenommen, der Hund meines Nachbarn jault und bellt ständig. Es klingt schrecklich und herzzerreißend. Was soll ich tun? Gehe ich dann da rüber und kümmere mich? Oder soll ich mich an ein Tierschutzbüro oder sogar an die Polizei wenden?

Ich habe mal bei der Polizei nachgefragt. Die Antwort des Beamten lautete: „Ich hatte auch mal einen Hund. Also: Wenn Sie der Meinung sind, der Nachbar schlägt seinen Hund, dann ist das der Tatbestand Tier in Not. Dann können Sie uns natürlich rufen!“

Wir Deutschen lieben Hunde. Ca. 10 Millionen unserer „besten Freunde“ leben in unseren Haushalten, für Tierfutter und Tierhygiene geben wir 2,6 Milliarden € aus. Wir kaufen ihnen Spielzeug, gehen mit ihnen Gassi, bringen sie zum Tierarzt und manchmal auch zum Friseur. Da ist es doch selbstverständlich, dass man in Deutschland die Polizei rufen darf, wenn jemand einen Hund misshandelt! Für Tierquälerei drohen Geldstrafen bis zu € 25.000 und auch Freiheitsstrafen bis zu 3 Jahren.

Die Frage ist aber hypothetisch, denn mein Nachbar hat gar keinen Hund. Ich wollte nur mal wissen, was wäre wenn. Und ich frage mich, ob das, was für einen einzelnen Hund gilt, auch für mehrere Tiere gälte. Wenn ich zum Beispiel auf dem Land leben würde und mein Nachbar hielte 10.000 Hunde in einer Halle auf engstem Raum und bei schlechter Luft. Ohne Spielzeug, ohne Gassi gehen, ohne Tierarztbesuche. Wie sollte ich reagieren?

Das Tierschutzgesetz sagt: „Niemand darf ohne vernünftigen Grund einem Tier Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen“. Und was könnte nun ein vernünftiger Grund sein, einem Tier Schmerzen oder Schäden zuzufügen? Möglicherweise ein Tierversuch für einen Impfstoff? Oder etwa die Lust auf ein bestimmtes Lebensmittel?

Vielleicht würde aber in meinem Beispiel auch der Notwehrparagraph helfen: Laut § 32 des Strafgesetzbuches darfst du gegenwärtige, rechtswidrige Angriffe auf „notwehrfähiges Gut“ abwehren. Tust du dies bei anderen Personen als bei dir selbst, nennt man es „Nothilfe“ – und diese ist sogar geboten.

Aber was ist ein „notwehrfähiges Gut“? Unversehrtheit zum Beispiel. Man darf mit angemessener Massnahme Leid von Dritten abwenden. Salopp gesagt: Wenn jemand auf der Strasse einen anderen haut, darf ich ihn hauen, damit er aufhört, den anderen zu hauen. Brennt aber jemand seinen Kälbern die Hornansätze raus (für Milch), oder quält er seine Hühner systematisch (für Hühnerfleisch und Eier), darf ich dann auch mit angemessener Handlung das Leid von diesen Tieren abwenden?

Nein. Dabei würde mich keine Behörde unterstützen. Man würde mich als „übergriffig“ bezeichnen und womöglich bestrafen.

Fazit: Quält ein Nachbar ein Tier, rufen wir die Polizei. Quält ein anderer Nachbar 10.000 Tiere, rufen wir sie nicht. Denn wir wenden die oben genannten Gesetze nur in unserem eigenen Interesse an. Nicht im Interesse der Opfer. 

Man kann also in unserer Gesellschaft für das Quälen eines Tieres sowohl ins Gefängnis kommen als auch dafür bezahlt werden. Es hängt nur davon ab, welches Tier man quält.

dog picture courtesy of We Animals Media

 

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